Der Yoga. Vereinigung. Eins-werden von Körper-Seele-Geist.

05.11.2018

Der Yoga ist von seinem Ursprung her eine angewandte Wissenschaft, in sechs Schulen, von der niedersten bis zur höchsten, ein System von Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten zur Erreichung eines bestimmten Zwecks.

Der Begriff Yoga entstammt dem Sanskrit des alten Hindustan und bedeutet soviel wie: 'verbunden sein mit... 'eintreten in...'' verschmelzen oder aufgehen'..

Der Yoga befasst sich mit den Gesetzen und Gesetzmäßigkeiten der Geist- Seelenkunde und ihren Anwendungen auf die Entwicklung des gesamten Bewusstseins des Menschen, auf jeder Entwicklungsstufe, in jeder energetischen Sphäre. Vollkommen zielbewusst wendet der Yoga die Gesetzmäßigkeiten auf jeden besonderen Fall an. Diese zweckorientierte Anwendung der Gesetze für die Entfaltung des Bewusstseins, erfolgt genau nach den gleichen Grundsätzen, wie wir sie jeden Tag in den anderen Gebieten der Wissenschaft angewandt sehen.

Aus der allgemeinen Erfahrung ist uns bekannt, in wie hohem Grad der Geist des Menschen, durch sein Zusammenarbeiten mit der Natur, sogenannte naturgemäß verlaufende Prozesse beschleunigen kann, und die Betätigung unserer Intelligenz ist an sich genauso 'natürlich' wie alles andere.

Der menschliche Geist ist fähig, die Wirksamkeit der Naturgesetze zu beeinflussen, indem er sie in seinem Sinn bewusst dirigiert und mit ihnen statt gegen sie lebt.

Wenn wir uns mit dem Yoga beschäftigen, bewegen wir uns ebenso im Gebiet der angewandten Wissenschaften wie ein wissenschaftlich ausgebildeter Landwirt oder Önologe der die Naturgesetze auf seine speziellen Züchtungen anwendet.

Es gibt für niemanden andere Naturgesetze als die universell geltenden, nach welchen die Natur alle ihre Formen um uns herum entwickelt, und dennoch schafft ein Züchter in wenigen Jahren so manches, wozu die Natur in ihrem natürlichen Lauf Hunderte oder gar Tausende von Jahren benötigen würde.

Die Frage ist: Wie macht ein Züchter so etwas?

Antwort: Indem er sich seines Geistes bedient, um die universalen Gesetze anzuwenden, die ihm zweckdienlich vorwärts helfen und damit jenen Kräften entgegenwirken, die ihm in seinen Absichten hinderlich wären.

Er zieht also menschliche Geistesschärfe heran, um die göttlichen Kräfte in der Natur, die sonst das allgemeine Gute bewirken, zu seinem und der Menschheit besonderem Wohl zu nutzen.

Der Mensch, als göttliches Wesen, ist, gemäß kosmischer Natur- und Evolutionsgesetze, ein aus unzählig vielen, unterschiedlich schwingenden Lebensatomen, unterschiedlichster Aggregate zusammengesetztes Wesen. Diese unterschiedlich schwingenden Lebensatome, bilden für die verschiedenen Entwicklungsstufen des Menschen, jeweils gleichschwingende Vehikel, notabene Hüllen, Schleier, Formen und Körper, damit der Lebensstrahl des göttlichen Geistes, das sogenannte Höhere Selbst (Âtman), auf jeder Entwicklungsstufe seines Bewusstseins, spezifische Erfahrungen sammeln kann.

Dergestalt ist also zwischen dem Selbst und seinen Hüllen (Vehikeln) eine unabänderliche Beziehung aufgerichtet:

  • Ausdehnung und Wechsel im Bewusstsein
  • Schwingungs- und Aggregatwechsel in der Materie und vice versa

Das Höhere Selbst hat somit die Fähigkeit das Niedere Selbst zu erkennen.

Wir Theosophen gebrauchen das Wort Yoga ebenfalls als ein passendes Wort, aber wir verwenden es weniger zur Bezeichnung unserer theosophischen Schulung; weil in den westlichen Ländern des Okzidents mittlerweile fünf verschiedene hinduistische Yogaschulen bekannt sind, doch der Yoga im Theosophischen Sinn alle Yogaschulen umfasst und diese krönt mit einer edleren, einer sechsten Yogaschule.

Zu den fünf indischen Yogaschulen gehören die Folgenden:

  • Die einfachste und niedrigste ist Hatha-Yoga, der Yoga der physiologisch-psychischen Schulung, der sich fast ausschließlich mit dem Körper und dem niederen Bewusstsein befasst;
  • Die nächste Schule heißt Karma-Yoga, kommend von dem Sanskritwort Karman, was soviel wie 'Handlung' bedeutet;
  • Nachfolgend kommt Bakthi-Yoga, der Yoga der Liebe und Hingabe, im Westen bekannt durch die Flower-Power-Zeit;
  • Im Weiteren folgt Jnâna-Yoga, der Yoga der Weisheit, des Wissens, des Studiums;
  • Die Fünfte ist der Râja-Yoga, der Yoga der selbst erdachten Bemühung, mit dem Gott im Inneren eins zu werden, der Yoga der Disziplin, dessen Ausübung von den Königen der Kshattriya- oder Kriegerkaste als den Führern ihrer Staaten erwartet wurde;

Und die Theosophie krönt diese fünf Yogaschulen mit einer sechsten:

  • Brahma-Yoga, der Yoga des Geistes, der die vorgenannten fünf praktisch mit einschließt.

Der indische Gelehrte Pantanjali verfasste vor über 2000 Jahren den sogenannten 'Yogasutra', eine Art Praxis-Leitfaden, der sich auf acht Grundsäulen aufbaut:

1. Yamas: der Umgang mit der Umwelt

2. Niyamas: der Umgang mit sich selbst

3. Asanas: der Umgang mit dem Körper

4. Pranayama: der Umgang mit dem Atem

5. Pratayahara: der Umgang mit den Sinnen

6. Dharana: Konzentration

7. Dhyana: Meditation

8. Samadhi: die innere Freiheit

Von den sogenannten Yogis, den Lehrern des Yoga, weiß man, dass sie stets den Ausdruck prägen:

Yoga ist Samadhi !"

Natürlich sind im Laufe der Zeit noch weitere Yoga-Schulen entstanden. Allein, sie sind immer Ableitungen aus einer oder mehreren dieser sechs oben genannten Urschulen. Denn es geht bei allen immer um einen harmonisierenden, gesundheitsfördernden Energiefluss innerhalb oder zwischen Vehikeln des Bewusstseins, und immer um eine gesunde harmonische Verbindung von Körper, Seele und Geist zu einer lebensfördernden Einheit.

Dabei ist es natürlich ein vollkommen absurder Gedanke anzunehmen, dass Indien in Bezug auf die menschliche Psychologie und Natur das einzige Land sei, das Kenntnisse über Yoga besessen hat; Yoga beutet hier Schulung, Training um eine selbstbewusste 'Vereinigung' mit dem Gott im Inneren zu erreichen, mit dem inneren Buddha oder dem inneren Christus/Christos - egal welche Bezeichnung man dafür einsetzen möchte.

Nehmen wir den Karma-Yoga: Eine Abart dieser Schulungsform ist seit Jahrhunderten in der christlichen Kirche als "Erlösung" durch "gute Werke" bekannt. Eine bei den gläubigen Christen wohlbekannte Übung.

Übrigens genauso bekannt im Bhakti-Yoga, als "Erlösung durch Frömmigkeit" oder "Liebe" oder "Selbsthingabe", was genau dem entspricht, was der Hindu und was der Theosoph mit diesen Worten meint; eine Sache, die sich spontan im Herzen des Christentums entwickelte, wie sie auch im Herzen Hindustans und in jedem anderen Land entstand.

Die Christen nannten es "Erlösung", Erlösung durch dieses, Erlösung durch jenes; die Hindus nannten es "Vereinigung", Vereinigung durch diese Schulung, Vereinigung durch jene Schulung, und so weiter.

Die okkulte theosophische Schulung umfasst sie alle, weil diese verschiedenen Schulungsarten oder Vereinigungen, den fünf Haupttypen des Bewusstseins oder der Psyche des Menschen entsprechen.

Manche Menschen finden Erlösung durch Werke, um die christliche Formulierung zu gebrauchen; andere durch Liebe oder Hingabe; wieder andere durch Theologie oder hohe Gedanken.

Das Christentum hat beispielsweise besonders in seinen Klöstern, in der Vergangenheit auch eine Art von Hatha-Yoga in seinem physiologischen Trainingssystem ausgeübt - die Geißelungen, das Auspeitschen, das Tragen von Sackleinen und andere Praktiken der Kasteiung und Selbstverleugnung, um, wie sie sagten, die niederen Leidenschaften und den Körper zu beherrschen und zu unterwerfen. Das sind typische Hatha-Yoga Beispiele niedrigster Stufe.

Besitzt ein Mensch jedoch eine glückliche Geisteshaltung, die ihn zu einer Schulung des inneren Lebens führt, dann braucht er sich weder um Atemübungen, noch um Körperstellungen, Geißelungen oder um Kasteiungen irgendwelcher Art zu kümmern.

Wir wissen auch heute, dass wir zur Erfüllung unserer Pflicht hingebungsvoll arbeiten und uns um die kleinsten Dinge in pflichtbewusster Anstrengung bemühen müssen. Ursache und Wirkung - das ist Karma-Yoga.

Wir müssen unseren Körper von innen her kontrollieren, wie auch unsere psychischen Impulse und Emotionen, wir müssen den Körper rein und gesund erhalten, damit er ein geeignetes Instrument für den menschlichen Geist und für die menschliche Seele ist. Das ist wirklicher Hatha-Yoga.

Wir wissen ebenso, dass wir zur Erfüllung der Pflicht gegenüber uns und den Mitmenschen, lernen müssen, uns in Ergebenheit, in höchster Liebe dem erhabenen Ziel zu widmen - und dies ist Bhakti-Yoga.

Um das Leben um uns herum und unsere Mitmenschen und uns selbst und die wunderbaren Wahrheiten der Naturgesetze, auf denen die Natur selbst beruht, zu verstehen, müssen wir die erhabene göttliche Weisheit intellektuell studieren - was dem Jnâna-Yoga entspricht.

Darüber hinaus wissen wir auch, dass wir zur Ausübung all dieser niedrigen Yogaformen eine Liebe und Selbstdisziplin entwickeln und dabei eine unvergleichliche Freude in der Tatsache finden müssen, dass wir uns selbst beherrschen können, dass wir Menschen sind, die danach streben, Meister des eigenen Selbst zu sein und nicht dessen Sklaven.

Wir brauchen über die Sache nicht zweimal nachdenken. Man betrachte den Menschen, der sich selbst beherrschen kann, und den, der sich nicht beherrschen kann: Meister und Sklave.

Wobei unser physischer Gehirn-Verstand sowohl ein förderndes als auch ein hinderndes Instrument unseres innewohnenden göttlichen Geistes ist.

Bereits vor über fünftausend Jahren sagte Arjuna in der Bhagavad Gita:

"Für diesen Yoga, den man, wie du erklärst, durch Gleichmut erreichen soll, sehe ich keine feste Grundlage, denn der Verstand ist wahrhaft ruhelos, oh Krishna! Er ist ungestüm, stark und schwer zu bezwingen; er ist, so glaube ich, ebenso schwer im Zaum zu halten wie der Wind."

Worauf Krishna antwortete:

"Zweifellos, oh Wohlbewehrter, ist der Verstand schwer zu zähmen und ruhelos; aber er kann bezähmt werden durch ständige Übung und Gelassenheit."

Durch ständiges Üben werden wir finden, dass der an Konzentration und Achtsamkeit gewöhnte Verstand stets seine positive Haltung beibehält und sich nicht leicht von unberechtigten Eindringlingen beeinflussen lässt.

Wer seinen Verstand konzentriert schult, sollte gegenüber allen Gedanken stete Wachsamkeit üben, und eine sorgfältige Auswahl unter ihnen treffen.

Die Weigerung, schlechten Gedanken Herberge zu bieten, ihre sofortige Verbannung und Abstoßung, wenn ihnen bereits der Eintritt gelang, das unverzügliche Ersetzen eines üblen Gedankens durch einen guten entgegengesetzten Gedanken, wird den Verstand so umstimmen, dass er nach einer gewissen Zeit automatisch handeln und üble Gedanken aus eigenem Antrieb zurückweisen wird. Da wir alle in einem ständig fließenden Strom von Gedanken leben, von guten und schlechten, müssen wir diese selektionierende Aktivität des Verstandes regelrecht ausbilden und trainieren, so dass er das Gute automatisch in sich aufnimmt und das Schlechte ebenso automatisch abstößt. Dabei arbeitet unser menschlicher Verstand wie ein Magnet, der anzieht und abstößt: die Art dieser Anziehung und Abstoßung kann allerdings jeder von uns selbst bestimmen.

Der Verstand zieht dabei immer nur solche Gedanken an, die seiner gewöhnlichen Tätigkeit entsprechen. Es ist also folgerichtig und logisch, dass, wenn wir eine Zeit lang ganz konzentriert und bewusst eine klare Auswahl zu unseren Gedanken treffen, der Verstand alsbald von sich aus und entlang der Richtung, die wir ihm durch unsere Auswahl vorgegeben haben, derart konditioniert weiter handeln wird. Dadurch werden keine üblen Gedanken mehr in den Verstand eindringen können, während für gute Gedanken stets die Tore offen stehen.

Eines sollte dabei allerdings noch ausdrücklich betont werden: Wenn ein übler Gedanke in den Verstand eindringt, ist es besser, nicht direkt mit ihm zu kämpfen, sondern sich die Tatsache zunutze zu machen, dass der Verstand niemals gleichzeitig an zwei Dinge denken kann; man lenke also den Verstand daher umgehend und sofort auf einen positiven, einen guten Gedanken, denn nur so werden dem Üblen sofort lebenserhaltende Energien entzogen.

Wenn wir aber gegen einen Gedanken ankämpfen, verursachen wir damit nur die universale Kraft der Gegenwirkung, womit sich, den physikalischen Gesetzen entsprechend (Druck erzeugt Gegendruck), beide Kräfte eher neutralisieren. Derartiges Bekämpfen kommt also einer Lebenszeit- und Lebenskraft-Verschwendung gleich.

Richten wir indes einfach unsere gezielte willentliche Konzentration auf ein anderes, ein neues und positiv inspirierendes Bild, verschwindet jenes frühere, das üble Bild, vollkommen aus unserem Gesichts-, Gedanken- und Bewusstseinsfeld. Unser Bewusstsein gleicht insofern nämlich dem Licht eines riesigen Bühnen-Scheinwerfers, der allein über unsere Willenskraft hin und her geschwenkt wird, auf das gerichtet, was wir sehen und erkennen wollen, und unser Geist, unser Selbst, ist hierbei der einzige Zuschauer des ganzen Spektakels.

Als richtig verstandenen Yoga, könnten wir also das sittliche, spirituelle, intellektuelle, psychische und verborgene (okkulte) Training bezeichnen, so, wie es beispielsweise ein Theosoph vollzieht, wenn er der Bezeichnung Theosoph würdig ist. Wenn er allerdings die Philosophie nur annimmt, weil sie ihm zusagt, weil er sie für logisch und gut hält, und weil sie bis jetzt durch nichts übertroffen wurde, dann gehört er einfach zu jenen, die Pythagoras und die großen Vertreter seiner Schule als 'Akousmatikoi' bezeichnet hätten: 'Hörer, Zuhörer'. Und auch wenn selbst dieser Standpunkt etwas für sich hat, entbehrt er doch in hohem Maße der höheren Grade an Verständnis und Entwicklung. Und so ist es nur logisch und nachvollziehbar, dass auch der Yoga - egal welcher Schule - nur eine Art 'Fitness-Nummer' des physisch-astralen niederen Selbst bleiben wird, wenn der Mensch sich nicht in seiner ganzen Wahrheit und Tiefe selbst erkennt - nosce te ipsum.

So ist denn auch der höchste Yoga, der sechste, Brahma-Yoga, derjenige, den die meisten Chelas, die Schüler, anstreben. Er bedeutet, dass man aus all den soeben behandelten niederen Yogaformen das Beste entnimmt und es sozusagen zu einer Einheit vereint, sie emporhebt und sie gleichsam an dem Geist des Inneren befestigt.

Das Denken, die Gefühle, das Verlangen, sind dann wie eine Flagge am Mast des Lebens befestigt. Diese Flagge kann nicht mehr niedergeholt werden: Brahma-Yoga, die Vereinigung mit Brahman, dem Geist, dem Âtman, ist die Vereinigung mit dem Höchsten Selbst, unserem höchsten göttlichen ICH-BIN.

So ist eben doch ein jeder seines wahren Glückes Schmied.

(fh)

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